Kein „Weiter so“

Kolumne Stadtjournal, September

Die politische Welt scheint verrückt. Nicht nur in Deutschland. Auch der Blick nach Amerika lässt aufrechte Demokraten zweifeln. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump lässt keine Gelegenheit aus, menschenverachtende und absurde Positionen einzunehmen. Und statt Ablehnung und Entrüstung erntet er dafür Applaus und Zustimmung. Nicht anders verhält es sich mit der AfD. Verfolgt man die Äußerungen ihrer Spitzenkandidaten, bleibt einem oft die Puste weg. Früher konnte man sich darauf verlassen, dass sich rechtsextreme und rechtspopulistische Bewegungen selbst demontieren und wieder verschwinden. Aber das hat sich geändert. Grund dafür ist auch eine veränderte Debattenkultur, die nur noch „dafür“ oder „dagegen“ kennt. Wer sich nicht angehört oder verstanden fühlt, ist „dagegen“.

Von diesem Mechanismus profitieren auch die Rechtspopulisten hierzulande. In Mecklenburg-Vorpommern haben 21 Prozent die AfD dort zur zweitstärksten Partei gewählt. Ich bin sicher, dass nicht alle inhaltlich mit dieser Partei übereinstimmen oder gar rechtsradikal sind. Vielmehr ist es der oben erwähnte „Dagegen-Effekt“, der die AfD zu einer Partei macht, die weitgehend unabhängig von ihrer Programmatik gewählt wird. Nur so lässt sich erklären, dass die teils rassistischen, nationalistischen und unsozialen Positionen der Partei von ihren Wählern ignoriert werden. Zum anderen aber profitiert die AfD massiv vom Verfall der Debattenkultur in Deutschland.

Viele Beispiele belegen das. Wer sich etwa kritisch zu den Folgen und die Herausforderungen der Flüchtlingspolitik äußert, erntet regelmäßig Kritik, meist aus den eigenen Reihen, was am Ende in dem Vorwurf gipfelt, man betreibe damit das Geschäft der AfD.

Ich glaube, die Wahrheit ist eine andere. Warum soll es nicht möglich sein, die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel im Grundsatz richtig zu finden, dabei aber dennoch auf die ungelösten Probleme, die Gefahren und eine drohende Überforderung unseres Landes hinweisen zu können? Warum betreibt man das Geschäft der AfD, wenn man vor den Folgen einer gescheiterten Integration oder einer zunehmenden Islamisierung warnt? Nur weil dies die AfD auch tut? Was hat es mit Rechtspopulismus zu tun, wenn man in diesem Zusammenhang eine klare Grenzziehung und das Bestehen auf unsere Werte und Kultur legt? Es ist die Debattenkultur, entweder „100 Prozent dafür oder 100 Prozent dagegen“, die die AfD stark macht. Weil sich Menschen verstanden fühlen, wenn ihre Ängste und Sorgen offen angesprochen werden. Solche Themen einfach zu Tabuzonen zu erklären, schafft jedenfalls kein Vertrauen.

Deutschland hat im vergangenen Jahr viel geleistet und Hunderttausenden Menschen Zuflucht und Hilfe gespendet. Dieses Handeln entsprang einem christlich-humanistischen und eben keinem egoistischen Weltbild. Aber es gehört in der Verantwortung für Deutschland auch dazu, die Gefahren, die mit dieser Aufgabe verbunden sind, zu benennen, gegenzusteuern und auch einzugestehen, dass vieles in dieser Entwicklung nicht vorhersehbar war. Und Korrekturen im Kurs notwendig sind, um deutsche Interessen zu wahren. Sonst erleben wir noch mehr das Phänomen, dass immer mehr besorgte Bürger zu AfD-Wählern werden.