Brexit – Ergebnis eines Volksentscheides, das keiner wollte

Kolumne Juli 2016

Die erste Aufregung und das Entsetzen über den Volksentscheid der Briten sind verebbt. Die Entscheidung, aus der Europäischen Union auszutreten, ist und bleibt ein schwerer Schlag für das vereinte Europa. Die Hoffnung, die ökonomische Vernunft und der Glaube an die gemeinsame, europäische Stärke werde über das populistische Argument neuer nationaler Stärken siegen, hat sich nicht erfüllt. Die Folge der radikalen Umwälzung für ihr Land wird vielen Briten nicht klar gewesen sein. Ihnen steht eine Reise in eine wirtschaftlich und politisch ungewisse Zukunft bevor. Das Referendum ist unumkehrbar. Es wird sehr vieles verändern. Es ist Ernst, kein Spaß - „Raus ist raus“.

Diese Entscheidung der Briten ist zweifellos ein Einschnitt für die europäische Entwicklung. Europa wird nun deutlich machen müssen, dass eine Mitgliedschaft in der EU wesentlich mehr Vorteile bietet als eine einfache Partnerschaft. Es kann nicht akzeptiert werden, dass sich Länder nur die Rosinen und Vorteile Europas sichern, selbst aber keine Pflichten übernehmen wollen. Wenn es Europa nicht gelingt, drängende Fragen, wie die Finanzkrise, oder auch die Flüchtlingskrise gemeinsam zu lösen, wird der Ruf nach nationalen Lösungen immer größer.

Aber es muss auch gefragt werden, ob Volksentscheide das richtige Instrument für die Lösung so komplexer Fragen sind. Kaum einer wagt es, seine grundsätzlichen Zweifel an der Volksabstimmung in die Debatte zu werfen. Wenn aber jedes EU-Land bei einem unliebsamen Thema ein Referendum abhält, wäre die EU handlungsunfähig. Gefordert sind eine klare und starke Politik und keine Volksentscheide, durch die sich Politiker aus der eigenen Verantwortung stehlen wollen und schwierige politische Entscheidungen“ aus Hasenfüßigkeit“ dem Wähler überlassen. Das verstehe ich nicht unter direkter Demokratie. Wer es wagt, das zu bezweifeln, widerspricht dem Zeitgeist und erntet böse Blicke. Es fehlt der Mut, die Dinge beim Namen zu nennen.

Ich bin davon überzeugt, dass Volksentscheide die Vereinfachung komplizierter Zusammenhänge begünstigen. Konnte der britische Bürger überhaupt abschätzen, dass es hier, anders als bei einer normalen Parlamentswahl, um eine tief greifende Änderung seiner Lebensverhältnisse ging? Ein emotionaler Wahlkampf hat viele Wähler mit falschen Zahlen und nationalistischem Pathos in die Irre geführt. Gegen gezielte Desinformation – etwa die erlogenen 350 Millionen Euro als monatlichen EU-Beitrag der Briten – kommen nüchterne Argumente einfach schwer an.

An dem Beispiel Großbritannien aber sieht man, dass Volksentscheide keine ernsthafte demokratische Alternative sein können. Was wir brauchen, ist eine starke Politik, die Ängste und Nöte der Bürger aufnimmt, erklärt, Lösungen bietet und nicht um den heißen Brei redet. Aber wir brauchen auch eine aufmerksame Bevölkerung, die sich nicht leichtfertig durch jeglichen Populismus vom richtigen Weg abbringen lässt. Die Wahrheit ist eben manchmal unsexy.