Viessmann-Verkauf: Ein Weckruf

Gastkolumne Hanauer Anzeiger

Übernahmen und Verkäufe sind in der Wirtschaft keine Seltenheit. Deshalb lohnt es sich, genau auf die Zwischentöne zu hören. Der Verkauf der Wärmepumpen-Sparte des nordhessischen Traditionsunternehmens Viessmann ist so ein Fall. Mit Viessmann steigt ein deutsches Unternehmen aus einem Markt aus, der aufgrund der Klimaveränderungen und vor allem dem Umbruch auf dem Heizungsmarkt durch die deutsche Politik ein verheißungsvolles Geschäft sein müsste. 
Dieses Signal könnte aber der Einstieg in den Ausstieg sein, der den Rückzug deutscher Unternehmen auf dem Wärmemarkt markiert und diesen den Amerikanern und Asiaten überlässt – obwohl Deutschland ein unzweifelhaft gutes Produkt liefern kann. In die Beurteilung des Verkaufs mischt sich deshalb jenseits der Firma Viessmann die Sorge vor einem Abstieg oder dem Ausverkauf des deutschen Mittelstandes. Besonders, weil es sich um eine Zukunftstechnologie handelt. Oder vielleicht auch gerades deshalb? Vermehrt verdichten sich nämlich die Anzeichen, dass Deutschland mit seiner überdimensionierten Klimapolitik die Belastungen für betriebliches Handeln so hochschraubt, dass Investitionen im Inland nicht mehr oder nur schwer möglich sind. Dazu zählen die hohen Energiekosten, die zunehmende Bürokratie, der Fachkräftemangel und auch die stark zurückgehende Leistungsbereitschaft, die der Generation „Work-Life-Balance“ zum Opfer zu fallen scheint. Das alleinige Diktat der Klimatransformation stresst Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist an der Zeit, Maß und Mitte zu finden. Wenn selbst große deutsche Unternehmensvorstände offen darauf hinweisen, dass neue Investitionen in Deutschland und Europa absehbar nicht mehr stattfinden können, wozu auch der Green-Deal der Europäischen Union beiträgt, ist das mehr als ein Hilferuf. Es ist der Hinweis auf eine schleichende Deindustrialisierung, an deren Ende wir uns in einer destabilisierten Gesellschaft wiederfinden. Denn die ganzen Wohltaten des Staates müssen erst einmal verdient werden. Die Flucht einzelner Unternehmen in kapitalstarke Arme mag betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Für Deutschland ist es ein Weckruf und die Aufforderung für eine neue strategische Ausrichtung.